In meiner neuen Foto-Reihe nehme ich euch mit vor meine Haustür und zeige euch die Welt durch meine Brille. Ich möchte die Schönheit unserer Umwelt zeigen, und auch die Wunder, die jeden Tag aufs Neue um uns herum geschehen.

1. Die Bienenweide als Ort der Achtsamkeit

Den Auftakt macht diese vermeintlich simple Blumenwiese. Beim wochenendlichen Fahrradausflug fliegt sie vorbei; mit dem Auto unterwegs nehmen wir die Blütenpracht am Wegesrand kaum wahr. Dabei handelt es sich bei näherer Betrachtung um eine kunstvolle Kombination der schönsten Farben und Formen, die man als Hobby-Gärtner kaum schöner arrangieren könnte …

Ich gebe zu, ich liebe Blumen sowieso und bin eigentlich von allem fasziniert, was so in der Natur wächst, da ich die letzten Jahre hauptsächlich in der Stadt gewohnt habe. Aber der Anblick dieser Wiese hat mich wirklich begeistert und inspiriert. Am liebsten hätte ich die nächstbesten Spaziergänger angehalten und gebeten, vor dem Blumenmeer zu tanzen. Das wäre ein tolles Motiv gewesen.

Ist das nicht grandios? Diese üppige Schönheit direkt vor der Haustür – und das auch noch kostenfrei und jederzeit verfügbar? Und nicht nur uns Menschen erfreut sie, sondern sie wirkt auch dem Insektensterben entgegen, da sie u.a. Bienen eine Lebensgrundlage bietet.

Deshalb mein Plädoyer: Lasst uns langsamer gehen, durchs Leben und durch die Natur. Lasst uns die Scheuklappen ablegen, mit denen wir auf unser Ziel zurennen, welches uns Glück & Zufriedenheit verspricht. Warum nicht im Hier und Jetzt glücklich sein und uns an dem erfreuen, was rings um uns herum geschieht?

Die Blumenwiese ist tatsächlich eine richtige Bienenweide, die Landwirt Erik Becker letztes Jahr in Büttelborn angelegt hat. Immer mehr Menschen legen sich übrigens eine Bienenweide im eigenen Garten an. Welche Pflanzen sich dafür eignen und was man beachten muss, dazu findet ihr hier Infos:

„Wie mache ich meinen Garten bienenfreundlich?“ (NABU Deutschland)
„Bienenfreundliches Hessen“ (HMUKLV)
Bienen füttern – das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erklärt wie

2. Das Revival der Rinder

Die Tatsache, dass der Anblick von Rindern auf der Weide für überraschte Blicke sorgt, ist alleine ja schon ziemlich traurig. Früher hielt man sich Vieh zu Hause zur Selbstversorgung; durch die Industrialisierung rentiert sich die Milch- & Fleischproduktion mittlerweile nur noch für die größten Landwirte. Viele kleinere Betriebe mussten aufgeben oder umschwenken in der Produktion.

Nach 20 Jahren ohne Großviehbestand hat eine Gemeinde in Südhessen nun wieder 50 Rinder. Und erfreut die Anwohner und Spaziergänger mit dem vertrauten Anblick und vor allem mit dem Geruch. Grund dafür ist ein Naturschutzprojekt. Der NABU hat dafür Flächen gekauft & gepachtet und nutzt die Rinder für die Landschaftspflege. „Das ist wesentlich schonender, als die Flächen mit dem Traktor zu mähen“, erklärt Bernd Petri vom NABU Kreisverband Groß-Gerau. Außerdem bleibe die Vielfalt erhalten, da Rinder z.B. Disteln stehen lassen.

3. Warum wir unser liebstes Saisongemüse erst auf den 2. Blick erkennen

Es ist ein bisschen wie mit der lila Kuh. Wir konsumieren rund 150.000 Tonnen unseres liebsten Saisongemüses in Deutschland pro Jahr – doch wie die Spargelpflanze eigentlich aussieht, das wissen nur die wenigsten. 

Tatsächlich hindern wir die Pflanze durch das Errichten eines Erdwalls daran, ans Licht zu kommen, so dass wir die zarten weißen Triebe essen können. Sobald der Spargel nämlich durch die Erde bricht, verfärbt er sich erst blau und dann grün und das hübsch anzusehende Spargel-Bäumchen entsteht, was jedoch bitter und ungenießbar ist.

Dieses Hinauszögern des Wachstums geht natürlich auf Kosten der Pflanze, so dass am 24. Juni die Spargelsaison beendet ist. Diese Verknappung des Angebots führt natürlich zu Begehrlichkeiten. 12 Euro für das Kilo? Solche Preise zahlen wir Deutschen sonst nur für die Maß Bier auf dem Oktoberfest! Für die Landwirte natürlich ein Anreiz, immer mehr & länger anzubauen, was hier zu Lande natürlich nur klappt in dem z.B. der Boden mit Folie abgedeckt wird. Logisch, dass das für die Natur nicht unbedingt der Idealzustand ist.

Deshalb: Augen auf, Staunen und vielleicht in der Zukunft etwas bewusster konsumieren…

4. Getreide-Felder als Spiegel der Jahreszeiten

Eine Sache, die ich am Sommer besonders liebe, sind die wogenden Felder. Die Fülle, die Vielfalt, die Weite. Die Möglichkeit, der Natur beim Wachsen zuzusehen. Irgendwann habe ich für mich entdeckt, dass es mir hilft präsenter zu sein & die Zeit bewusster wahrzunehmen, wenn ich den Wandel der Jahreszeiten beobachte. Durch regelmäßige Spaziergänge können wir auch die kleinen Veränderungen um uns herum sehen. Und wenn wir uns die Zeit nehmen, einmal ganz genau hinzuschauen, dann entdecken wir eine faszinierende Schönheit von Farben, Formen & Strukturen.

Außerdem bekommen wir durch das bewusste Wahrnehmen der Natur ein größeres Verständnis dafür, woher unsere Lebensmittel kommen & wie sie produziert werden. In Deutschland werden z.B. auf insgesamt 6,3 Millionen Hektar Getreide angebaut, das sind über 54 Prozent des gesamten deutschen Ackerlandes. Den Großteil davon nimmt der Weizen ein. Neben Roggen, Hafer & Gerste liegen aber mittlerweile auch die „Urgetreide“ wie Dinkel, Einkorn & Emmer im Trend.

5. Artischocken in Hessen

Apropos Trend: Eigentlich kennen wir Artischocken hier zu Lande ja eher aus südlicheren Gefilden – oder aus dem Glas 😉 Mittlerweile erfreuen sie sich aber in Deutschland immer größerer Beliebtheit, so dass mehr und mehr Landwirte sie auch auf deutschem Boden anbauen. Zumindest ein positiver Aspekt des Klimawandels. 

Artischocken sind nicht nur sehr gesund (Stichwort Bitterstoffe), sondern sie sehen auf Grund ihrer ungewöhnlichen Blätterform auch wunderschön aus. Für den Verzehr muss die Knospe noch eng geschlossen sein. Werden die Artischocken nicht geerntet, öffnen sich die Schuppenblätter und die Blüte erstrahlt in einem intensiven Violett. Diese außergewöhnliche Farbenpracht macht sich nicht nur gut auf dem heimischen Küchentisch oder im modernen Brautstrauß, sondern sie ist auch ein Schlaraffenland für Insekten. 

„Artenvielfalt in der Landwirtschaft ist grundsätzlich gut für die Natur“, sagt Matthias Werner vom NABU Büttelborn. „Artischockenpflanzen sind super für Vögel, da sie reichlich Samen bereitstellen, aber auch die lange Besteckung hilft der Natur, da Feldvögel dann in Ruhe brüten können“, meint Matthias. Es konnten sogar bereits erste vogelkundliche Erfolge verzeichnet werden, da hier schon Blaukehlchen, Rebhühner und viele Finkenarten wie Bluthänflinge und Stieglitze, sowie der seltene Wachtelkönig gesichtet bzw. gehört wurden. In Südhessen bekommt man Artischocken z.B. in Wasserschmidts Bauernlädchen. 

6. Büttelborn – das Storchenparadies

Meine neue Heimat Büttelborn (bei Groß-Gerau) ist mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt als Storchenparadies. Störche zu sehen, ist für viele Menschen ja heutzutage eine Seltenheit, hier auf dem Land herrscht selbst in Zeiten von Corona reger Flugbetrieb. Grund dafür: Die Bruchwiesen bei Büttelborn sind ein Naturschutzgebiet und wegen der vielen feuchten Wiesen und Moore bieten sie eine ideale Heimat für unzählige Störche. 

Immer mehr Störche finden es hier scheinbar so gemütlich, dass sie zum Überwintern gar nicht mehr wegfliegen. Und das ist doch ein schönes Schlusswort für diese Serie. Denn auch uns Menschen hat die aktuelle schwierige Situation gezeigt, dass es hier in Deutschland, in unserer Heimat, doch eigentlich ganz schön ist und es viel zu entdecken gibt – direkt vor unserer Haustür.

Mein Projekt „#heimatliebe – Wunder vor der eigenen Haustür“ wird gefördert von der Hessischen Kulturstiftung.

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